Mittwoch, 29. November 2017

Frühstücksmorgen ohne Sorgen

Wo ist denn die Espressokanne schon wieder? Jeden Morgen muss ich sie suchen. Da steht sie ja. Da wo sie immer steht.

Milch in den kleinen Topf. Auf Stufe 3. So geht es schneller.

Rasch die Teller hingestellt, die Marmeladen. Die Käsereste dazu.

Wieder fehlt Brot. Zum Glück habe wir noch Reiswaffeln.

Und da steht Greta, mitten in der Küche. Mit noch dunklen Augen. Suchend. Nach ihrer Flasche. Ihrer Brotbüchse. Sie zu füllen.

"Mama, was kann ich heute in die Schule mitnehmen? Wir haben gar nichts mehr.", sagt sie, beim Blick in den halb leeren Kühlschrank.

"Ich weiß nicht", murmele ich, und frage mich, wo Lola bleibt.

"Loli, hast du Dich schon umgezogen?", rufe ich. Als ich in ihr Zimmer komme, sitzt sie splitternackt, nur mit Kniestrümpfen bekleidet, auf dem Boden und liest ein Buch. Neben ihr ein buntes Durcheinander von Klamotten.

"Lola, wir müssen jetzt frühstücken", dränge ich.

"Komme gleich, Mama, ja", sagt sie und wirft mir einen Kuss zu.

Was ist das für ein seltsamer Geruch? Ich renne in die Küche und sehe, wie die Milch über den Topfrand steigt und sich auf der Herdplatte ausbreitet.

Jeden Morgen das Gleiche.

Maxim stellt den Herd immer auf 2. Und es ist noch nie etwas übergekocht.

Immer wieder versuche ich, die Dinge durch hohen Energieaufwand zu beschleunigen. Am Ende kocht alles über. 

Greta steht an der Anrichte, schält Möhren, schneidet Gurken klein. Wickelt alles in Alufolie. Dann steckt sie es in die Brotbüchse.

"Muss das denn sein, alles nochmal in Alu einzuhüllen? Das ist doch Verschwendung", sage ich. Wie jeden Morgen.

"Ja, das muss sein", antwortet sie und wickelt weiter.

Ich schütte den Espresso in die dampfende Milch. Und schlage die Zeitung auf. So viele Gedanken über die Welt, manche tiefgründig, andere flach. Und beginne zu lesen über die Frage, wieviel narzisstischer die heutige Jugend ist als frührere Generationen.

Mein Handy ist voller Selfies von Greta und Lola.

Die Studie hat fest gestellt, dass die jüngere Generation nicht narzisstischer und selbstbezogener sei als die vor 30 Jahren. Dass die Jugend nur generell narzisstischer und selbstbezogener sei als die Elterngeneration. Und Narzissmuss mit zunehmendem Alter abnähme.

Wie selbstverliebt und auf eigene Vorteile bedacht kann man auch sein, bei drei Kindern? Denke ich und nippe an meinem Kaffee. Und lese weiter.

Bis sich erst Greta und dann Lola zu mir an den Tisch setzen. Und Greta von ihren bevorstehenden LKs (Leistungskontrollen) erzählt, die ihr Sorgen bereiten. Und fragt, ob ich sie schnell noch für Geschi abfrage. Und Lola vor ihrer Reiswaffel sitzt und mich fragt, was sie raufschmieren kann.

"Mirabellenmarmelade?"

"Nö, mag ich nich."

"Vielleicht Pflaumenmus."

"Bäh, stinkt."

"Oder Käse? Irgendetwas musst du ja essen."

"Käse blöd!"

Ich spüre, wie ich mich innerlich verenge. Und leichter Druck aufsteigt. In 10 Minuten müssen wir spätestens los, sonst kommen wir zu spät. 

"Im Kühlschrank ist auch noch Salami", sage ich genervt.

Sie strahlt und holt sich die Salami-Packung aus dem Kühlschrank. Legt sich 4 Scheiben übereinander auf ihre Reiswaffel. Beißt genüsslich hinein.

Ich sage nichts dazu.

Pavel und Maxim schlafen noch, denn die Vorschule beginnt erst um 8:30 Uhr.

Und ich schenke mir noch einen frischen Kaffee ein. Rieche seine herbe würzige Note und nehme einen langen Schluck. Und blicke auf Lola, die hochkonzentriert ihr zweites Brot mit Frischkäse bestreicht. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, als würde sie ein Kunstwerk schaffen. Greta ist schon in ihrem Zimmer verschwunden ist, so ganz selbstständig. Und lernt noch für ihre Prüfungen.

Und meine Zeitung knistert. Und der Kaffee duftet. Und ich geniesse diesen Moment der Ruhe.

So viel Selbstliebe schenke ich mir. 

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