Mittwoch, 21. Dezember 2016

Lola geht Kekse kaufen

Sonntag Nachmittag. Es dunkelt schon. Wir sitzen zu Hause, Pavel immer noch im Schlafanzug. Keine Lust, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Nur Greta ist bei einer Freundin und Lola traurig, weil auch sie zu einer Freundin möchte. Oder wenigstens auf den Spielplatz. Im Regen? Es ist doch sooo gemütlich zu Hause, denke ich...


Aber "Lola, magst du vielleicht Kekse kaufen gehen? Bei Jens, im Cafe WB?" Lola springt sofort begeistert auf und ehe ich mich versehe, hat sie sich Schuhe und Jacke angezogen und wartet nur noch auf das Geld zum einkaufen. Lange, sehr lange ist es her, dass ich sie das letzte Mal alleine zum Bäcker geschickt habe. Weil der nahe gelegene leider zugemacht hat und der andere immer so voll ist. Und Jens, bei dem es auch Brötchen gibt, so weit weg ist. Und man am Spielplatz vorbei muss, ohne da abzubiegen... Bisher habe ich Lola diesen Weg noch nicht zugetraut.


"Also, Lola. Du weisst, wo Jens ist, oder? Da, wo wir immer im Sommer Eis essen gehen. Am Spielplatz vorbei... "

"Mama, bin nicht doof!", sagt Lola und schaut mich ärgerlich an.

"Ich wollt  ja nur sicher gehen. Und wenn du wieder da bist, musst du unten klingeln. Weisst du wo unsere Klingel ist?"

"Mama", sagt Lola in noch ärgerlicherem Ton. "Ich nicht doof!!!!"

Und ich hebe entschuldigend die Hände. Und bin erstaunt, wie klar sie auf einmal ist.


Unten an der Haustüre zeige ich trotzdem zur Sicherheit nochmal unsere Klingel, gehe sicher, dass sie ran kommt. Und  passe auf, dass sie sicher über die Strasse kommt. Jetzt muss sie eigentlich immer nur die Strasse entlang (ca. 8 Minuten Fußweg). Und zielstrebig läuft sie los, mit ihrer Geldbüchse in der Hand. Fast beschwingt hüpfend, durch den Regen...


Doch ich kann es nicht lassen, ihr auf der anderen Strassenseite unauffällig zu 'folgen'. Denn es dämmert schon fast, und falls sie doch einfach auf dem Spielplatz bleibt oder sonstwohin läuft, ...

Doch Lola läuft zielstrebig zum Bäcker, direkt am Spielplatz vorbei. Von weitem sehe ich, wie sie freundlich alle Passanten grüsst, die grinsend an ihr vorbei gehen.

Vor dem Café WB angekommmen, bleibt sie eine Weile stehen und bewundert die Auslage. Erst als andere Kunden den Laden betreten, geht sie auch rein. Und setzt sich an einen der Cafetische, wie ich von außen beobachten kann. Nimmt eines der Bücher aus dem Regal und beginnt zu 'lesen'. Die Verkäuferin spricht sie, wirkt aber etwas verunsichert und kehrt an den Tresen zurück. Lola scheint die von mir aufgetragene Bestellung: "eine Tüte Vanillekipferl" noch nicht überbracht zu haben.


Und so sehe ich sie da sitzen. Ganz gemütlich, lesend im Buch. Eine ganze Weile. Gefühlte 10 Minuten. Und ich da draussen werde langsam ungeduldig. Was, wenn sie da jetzt gar nicht mehr raus will? Wenn sie, wie die anderen Kunden, einfach am Tisch sitzen bleibt? Vielleicht sogar einen Kakao bestellt? Ich will mich nicht zu erkennen geben, sie an die Kekse erinnern. Will nicht, dass sie mich bemerkt. Aber nach einer Weile, scheint sie Kontakt zur Verkäuferin aufzunehmen, die ihr auf einmal einen Tüte mit Keksen bringt. Genau die, die ich wollte.  Und Lola zahlt. Und: tritt den Rückweg an. Schnell muss ich mich hinter einer Litfasssäule verstecken, damit sie mich nicht entdeckt.

Und schnurstracks läuft sie wieder nach Hause. Ordnet noch ihre Mütze neu, rüttelt an mehreren Türen, grüsst freundlich weiter alle Passanten. Und: beginnt auf einmal wild vor sich hin zu schimpfen. Lauthals, als würde sie mit mir streiten. Ich höre nur: 'Mama, nein sagen. Darf nicht! Darf nicht. Rüber gehen. Darf.... " Und sehe, entgegen meiner Anweisung, wie sie vor dem Spielplatz schon die Strasse überquert und auf die andere Strassenseite wechselt, auf der sich unser Haus befindet. Nicht erst weiter unten an der Strasse, wo es besser einsichtlich ist. Und es scheint mir fast, als würde sie mit sich selber und ihrem schlechten Gewissen schimpfen, dass sie da nun doch schon früher über die Strasse geht. Denn kaum ist sie drüben, ist sie wieder leise und rennt blitzschnell weiter bis zu uns. Dass ich kaum hinterher komme. Klingelt unten an der Türe, Greta öffnet. Und ist wieder zu Hause.


Und dort kann ich es dir dann nicht nehmen, dass sie die Kekse auch noch hübsch auf einem Teller dekoriert. Dazu SELBER Äpfel aufschneidet, die Kerne mit dem Messer entfernt und alles zum Adventskaffetrinken ins Wohnzimmer bringt. (Ach ja, ich hatte noch ganz vergessen zu sagen, dass ihr derzeitiger Berufswunsch 'Koch' ist. In einem Krankenhaus.)

Wie sie mich immer wieder überrascht....

6 Kommentare:

FrauWind hat gesagt…

Unvorstellbar fast für mich, und einfach toll! Und so schön, wieder von dir zu lesen!
Frohe Weihnachten euch allen!

Anonym hat gesagt…

Was willst Du mehr?

Einfach toll, mehr kann und braucht man dazu gar nicht zu sagen!

Ganz liebe Grüße und ruhige und besinnliche Weihnachten wünschen euch die 4 Rancher aus Hopfgarten!

Martina von Jolinas Welt hat gesagt…

Ich bin extrem beeindruckt - so weit ist Jolina noch lange nicht, vielleicht auch ein bisschen unsere Schuld, puh, Ich sollte mal mit Äpfel aufschneiden anfangen, falls ich mich überwinden kann ihr ein Messer zu geben

Beatrice hat gesagt…

wow ich bin beeindruckt!
Liebe Grüße
Beatrice

Beatrice hat gesagt…

wow ich bin beeindruckt!
Liebe Grüße
Beatrice

Inselzauber hat gesagt…

Sooo wunderschön geschrieben - wie Deine sonstigen Posts auch.
Danke, dass ich teilhaben darf an Deiner Ehrlichkeit und an Deiner Tochter.
Bestimmt viel Arebit für Dich und viel Alltag der ständig neu bewältigt werden will, aber für mich als Außenstehende soooo schön zu lesen.
Ich wünsche Euch von Herzen einen guten Start in ein neues und spannendes Jahr 2017.
LG Kirsten