Freitag, 21. August 2009

Das Gespenst macht 'U'

Down-Syndrom und Sprechen lernen ist so eine Sache. Bei den manchen funkt's eher, bei den meisten später. Verzögert ist es bei allen, Grammatik-Probleme selbst bei Erwachsenen normal. Kurz gesagt: Sprache ist einer der Entwicklungsbereiche, die am meisten beeinträchtigt sind. Warum, weiss keiner so genau. Das Thema ist ein weites Feld.

Die Frage ist, können wir was dagegen tun? Wenn ja, was? Gebärden verwenden ist ein guter Einstieg, damit Kommunikation möglich ist. Und unsere Kinder auf den Geschmack kommen, dass man sich durch sprachliche Symbole, egal ob gesprochen oder gebärdet, ausdrücken kann. Aber wie kriegen wir sie zum Sprechen?

Eine ganz wichtige und anerkannte Methode ist das 'Frühe Lesen'. Wer noch nix davon gehört hat und mehr darüber erfahren will, kann sich mal auf den Seiten von Downs-Ed das 'See and Learn'-Programm angucken (auf Englisch) oder den 'Kleine Schritte' Hefter zum 'Frühen Lesen' beim Down-Syndrom Infocenter bestellen. Oder einen meiner nächsten Posts abwarten. Einen kleinen Erfahrungsbericht über einen Workshop, den ich bei Martina Zilske zu diesem Thema besucht habe, findet ihr hier.

Eine andere wichtige Methode, die das 'Frühe Lesen' vorbereitet und ergänzt, ist das gezielte Erlernen der Einzellaute. Wie macht man das? Ganz einfach. Man druckt alle Laute des Deutschen auf Karten. Und auf die Rückseite jeder Karte malt oder kopiert man ein Bild eines Gegenstandes oder Lebewesens, das so ein Geräusch macht oder damit assoziiert ist. Zum Beispiel: U = Gespenst. T = nasse Wäsche. S = Schlange. A = ein Kind trinkt Wasser. M = leckeres Essen. F = ein Luftballon, aus dem Luft ausgelassen wird. Die Karten werden laminiert. Und jeden Tag schauen wir sie uns einmal an, ich mache den Laut zu jedem Buchstaben und eine charakteristische Geste dazu. Ich hebe beide Arme, um das Gespenst zu simulieren (Uhhhh). Meine Hand fällt wie Tropfen zum Boden (T t t t). Die Schlange kriecht an den Hals (ssssss). Ich trinke Wasser (Ahhh). Ich streiche mir den Bauch (Mmmmh). Ich halte den Finger an den Mund und lasse Luft raus (Fffff).

Durch die Kombination Laut, Buchstabe, Bild und Gebärde wird der Laut besser behalten. Und aus dem Kontext heraus, kann er besser erfasst und abgespeichert werden. Denn weil unsere Kinder so langsam sind, hören sie auch 'langsamer' und nehmen die Laute im schnellen Sprachgenuschel nicht so genau wahr. Bauen wir auf diese Weise ihr Lautrepertoire systematisch auf, erkennen sie die Laute besser und damit auch die einzelnen Worte. Wie gesagt, es ist ein weites Feld. Aber wissenschaftliche Studien von Sue Buckley und Kollegen haben gezeigt, dass ein systematisches Training mit Lauten beim Spracherwerb ungemein hilft. Die Kinder lautieren mehr und deutlicher, benutzen ganz neue Laute und sprechen die Wörter deutlicher aus.

Diese Methode der gebärdenunterstützten Lautanbahnung habe ich bei Frau Iven gelernt. Sue Buckley und Kollegen verwenden sie. Martina Zilske hat in ihrem Workshop vom `Frühen Lesen' auch davon erzählt und hat sie mit ihren Mädels verwendet. Die Hasenschule verwendet sie mit sprachentwicklungsverzögerten Kindern, mit großem Erfolg.

Falls ihr also sonst nix zu tun habt, und euch Sprache auch so wichtig ist wie mir, könnt ihr es ja auch mal probieren. Die Kinder sollten aber schon etwa 18 Monate alt sein, zumindest bei der hier vorgestellten Methode.

PS:
Die Gebärden habe ich mir übrigens größtenteils ausgedacht. Es gibt aber auch standardisierte Lautgebärden, wie die Kieler Lautgebärden, die aus dem ABC-der-Tiere, die der Klosterbergschule, das Koch'sche Fingeralphabet oder diese, die auch im Schulunterricht in einigen Bundesländern verwendet werden. Nach dem Studieren dieser Gebärden war ich so verwirrt, dass ich mir einfach die schönsten und passendsten rausgesucht habe und den Rest erfunden habe. Wenn jeder eh was anderes macht, kann ich ja auch erstmal meins machen.

Die Lautkarten habe ich während der Intensivwoche bei Frau Iven bekommen. Man kann sie aber problemlos auch selber basteln, mit passenden Fotos, die man aus dem Netz runterlädt und in einem Bildbearbeitungsprogramm auf Kartengröße zurechtschrumpft. Ich habe bisher leider keine käuflich erwerblichen Lautkarten gefunden.

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